Aus der Wildbahn auf die Weide
Pferde können in menschlicher Obhut nicht so leben wie in freier Wildbahn. Sie sind vom Menschen abhängig – und der Pferdebesitzer sollte alles daran setzen, seinem Pferd eine möglichst artgerechte Haltung zu bieten.
Durch die Haltung von Pferden als „Haus-„tieren wurde der in Freiheit teilweise mehrere hundert Hektar umfassende Bewegungsradius der Tiere drastisch beschnitten. Um die damit einhergehende Futterverknappung auszugleichen, begann der Mensch, Getreide zuzufüttern. So fiel das mühsame Einfangen der Pferde weg. Durch die Abhängigkeit von menschlicher Fürsorge schlossen sich die Tiere enger an ihre Besitzer an; auch die Fortpflanzung wurde züchterisch gelenkt.
Die zunehmend domestizierten Pferde wurden zahm und verloren dem Menschen gegenüber ihr natürliches Fluchtverhalten. Dennoch behielten sie ein Mindestmaß an natürlichen Instinkten und physischen Fähigkeiten: Sie waren weiterhin Wind und Regen wie Sonnenschein ausgesetzt, trainierten ihre Hufe und Muskeln in der freien Bewegung auf den noch immer weitläufigen Weiden und die Fohlen wurden im Freien geboren und wuchsen in einer Herde auf.
Ständerhaltung
In der Neuzeit änderte sich dies, teilweise aufgrund der veränderten Nutzung, teilweise aufgrund der Bequemlichkeit der Besitzer und der gewandelten technischen Möglichkeiten. Schon Xenophon beschreibt die korrekte Haltung in einem Stand (bzw. Ständer), der „in einem solchen Teil des Hauses liegt, wo der Reiter das Pferd täglich sehen kann.“ Auch im Vorwort des Bands mit Kupferstichen des Naturzeichners Johann Elias Ridinger (1698-1767) wird dargestellt, wie ein „Fohlen“ (so wurden damals bis zu drei- und vierjährige Pferde bezeichnet) aufgestallt werden und durch Pferdepfleger versorgt soll und der Besitzer ab und zu „bey ihm vorbey gehe, ein büschel Gras oder Heu in der Hand haltend.“ Die Versorgung geschah ausschließlich durch die Hand oder auf Anweisung des Herrn, sodass die Pferde vollkommen der Pferdekenntnis oder dem Unverstand des Besitzers ausgeliefert waren.
Arbeitspferde standen nachts in engen Ständern und wurden nur selten mit Gras, meist mit Getreide und zerkleinertem Heu zugefüttert. Ähnlich wurden die stark beanspruchten Kutschpferde gehalten.
Ausschließlich zum Reiten und auch dies nur zum Vergnügen konnten sich lediglich Adlige ihre Pferde halten. Diese bewohnten teilweise bereits Boxen; da aber gleichzeitig zahlreiche Bedienstete rund um Stall und Pferdepflege beschäftigt wurden, war für Ablenkung und Bewegung der Tiere ausreichend gesorgt. Auch die Armeepferde lebten meist in Ständern. Wie verbreitet die Pferdehaltung in den schmalen Ständern, mit der Kruppe zur Stallgasse und am Halfter an der Krippe festgebunden, war, zeigt die Tatsache, dass bis vor wenigen Jahren auch in allen königlichen Reitschulen (z.B. in der Spanischen Hofreitschule in Wien) Anbindehaltung zu finden war.
Boxenhaltung
Mit der Entstehung der Freizeitreiterei kamen zunehmend Boxen in den Ställen auf. In diesen konnten sich die Pferde zumindest ausgestreckt hinlegen und um die eigene Achse drehen. Zugleich wurde jedoch der Koppelgang – oft mit der Begründung der erhöhten Verletzungsgefahr für die wertvollen Tiere – immer stärker eingeschränkt. Schickt die Spanische Hofreitschule in Wien ihre Hengste noch jedes Jahr im Sommer für einige Wochen „aufs Land“, wo sie nur leicht gearbeitet werden und häufigen Weidegang genießen, wurde diese „Freizeit“ den modernen Freizeitpferden kaum noch zugestanden.
Je weniger die Pferde zum Lebensunterhalt ihrer Besitzer beitragen mussten, desto stärker entfernte sich ihre Haltung von den natürlichen Grundlagen. Die Ställe wurden geheizt; das ganze Jahr über herrschte dieselbe Temperatur. Das naturnahe Rau- und Saftfutter (Gras) wurde durch pelettierte, vitaminisierte Futtermittel ersetzt, die Bewegung reduzierte sich oft auf weniger als eine Stunde unter dem Reiter.
Robustpferdehaltung
Je mehr sich diese Boxenställe verbreiteten, die den gesundheitlichen Bedürfnissen der Tiere massiv widersprechen, desto stärker kam – etwa seit den 1960er Jahren – eine Gegenbewegung auf. Kleinere, robuste Pferde wie z.B. Islandpferde werden auf Weiden, oft nur Hintergärten, mit kleinen Schutzhütten gestellt und bleiben dort das ganze Jahr über. Geritten wird vorwiegend in der freien Natur, und wenn der Besitzer nicht die Zeit findet, trainieren sich die Pferde in den kleinen Herden selbst. Dies entspricht einer Pferdehaltung, wie sie seit Jahrhunderten von allen praktiziert wurde, die sich keinen Stall und kein Personal leisten konnten.
Offenstall- und Auslaufhaltung
Heute geht der Trend zu einer kombinierten Form dieser Extreme. Die gesundheitliche wie psychologische Bedeutung des Koppelgangs in Pferdegesellschaft ist (beinahe) allgemein bekannt und wird zunehmend auch Sportpferden gewährt. Ernährungswissenschaftliche Untersuchungen belegen die Wichtigkeit häufiger, kleiner Futtergaben mit „sperrigen“ Futtermitteln wie Heu und Gras.
Andererseits wurden auch die Nachteile einer uneingeschränkten „Robusthaltung“ in der Herde erkannt; alte und rangniedere Pferde werden zeitweise separiert, um in Ruhe fressen zu können, und Ekzemer stundenweise aufgestallt, um sie vor Stechinsekten zu schützen.